Das Jahr 2024 brachte eine beeindruckende Reihe von Filmen hervor, die aus der Perspektive der Täter-innen eindringlich an die Gräueltaten des Nazi-Regimes erinnern und es dabei bemerkenswert verstehen, diese abscheulichen Gewaltverbrechen begreiflich zu machen; doch bleibt „Führer und Verführer“ weit hinter den herausragenden Werken wie „The Zone of Interest“, „Die Ermittlung“ oder „Der Schatten des Kommandanten“ zurück.
Der Film „Führer und Verführer“ verfolgt das ambitionierte Ziel, die manipulative Macht von Joseph Goebbels und seine zentrale Rolle zwischen 1938 und 1945 im nationalsozialistischen Regime deutlich zu machen. Trotz der unbestreitbar guten Intentionen von Regisseur Joachim A. Lang, angesichts des alarmierenden Wiederaufflackerns von Rechtsextremismus und der dringenden Notwendigkeit, vor den Gefahren rechtsextremer Propaganda und der Verführbarkeit einer Masse zu warnen, scheitert jedoch „Führer und Verführer“ daran, die historische Komplexität und den unfassbaren Horror des Naziregimes adäquat zu vermitteln.
Die „Nummer Zwei“ des Dritten Reichs: Sowohl Verführter als auch Verführer
Der Film porträtiert Joseph Goebbels als die selbsternannte „Nummer Zwei“ des Dritten Reichs, den Meister der Propaganda, der das deutsche Volk manipuliert und sich damit selbst als den wahren Führer inszeniert. Mittels historisch fundierten Biografie-Recherchen nach Peter Longerich, verdeutlicht der Film das Buhlen des Ehepaars Goebbels (Magda Goebbels- Franziska Weisz) um Hitlers Gunst ( Fritz Karl) innerhalb seines Hofstaates, ferner wie der Propagandaminister bereit ist, alles – einschließlich seiner Liebesaffäre mit Lida Baarová (Katia Fellin) und letztlich seine eigenen Kinder – dem Regime zu opfern.
Hightlight des Films: Die perfiden Strategien der Nazi-Propaganda
Besonders hervorzuheben ist die exzellente schauspielerische Leistung des Hauptdarstellers Robert Stadlober in der Rolle von Goebbels. Auch die historische Akkuratesse in Bezug auf die technische Ausstattung der Propaganda – von Filmtechniken bis hin zur rhetorischen Manipulation – ist eindrucksvoll dargestellt. Diese Details entschlüsseln die Mechanismen der Kriegspropagandalügen und die Erschaffung von Feindbildern und machen somit beeindruckend sichtbar, wie die Nationalsozialisten bereits modernste Technologien und ausgeklügelte Taktiken einsetzten, um die breite Masse gezielt zu beeinflussen und zu täuschen.
Schwächen und Kritik
Trotz dieses positiven Aspekts hinterlässt der Film dennoch einen schalen Nachgeschmack. Das größte Problem ist die vereinfachte Darstellung des deutschen Volkes als willenlose, manipulierte Masse, die auf die Verführungskünste eines einzelnen Mannes hereinfällt. Diese Perspektive greift viel zu kurz. Es wird unterschlagen, dass das Nazi-Regime auf einem breiten Netzwerk aus Mitläufern-innen, Mittätern-innen und Unterstützern-innen basierte, die aktiv an der Ermordungsmaschinerie, Denunziation und Propaganda beteiligt waren. Die Verantwortung allein auf Goebbels und andere Hauptfiguren wie Hitler, Himmler (Martin Bermoser), Göring (Oliver Fleischer) oder Hanke (Moritz Führmann) zu schieben, entspricht einer Nachkriegsverdrängungskultur, die die Beteiligung der breiten Bevölkerung ausblendet.
Der Film lässt fast den Eindruck entstehen, dass das deutsche Volk möglicherweise rebelliert hätte, wäre es über die „wahre Natur“ von Goebbels und seine Lügen rechtzeitig aufgeklärt worden, und verzerrt damit die historische Realität. Dabei wird übersehen, dass es durchaus deutschen Widerstand (Edelweißpiraten, die Weiße Rose, die Rote Kapelle-Film „In Liebe, Eure Hilde“ 2024 von Andreas Dresen- und andere) gab, der den Mut aufbrachte, die Bevölkerung über die hinterhältigen Lügen aufzuklären. Doch diese warnenden Stimmen wurden damals verfolgt, angeschwärzt und viele dieser mutigen Menschen bezahlten ihre Wahrheitsüberbringung mit ihrem Leben.
Deshalb erscheint eine derartige Perspektive naiv und problematisch, da sie suggeriert, die Verbrechen des Nationalsozialismus seien vor allem das Werk einiger weniger Hauptakteure gewesen, während die weitreichende systemische und gesellschaftliche Komplizenschaft unberücksichtigt bleibt. Obwohl abschließende Worte prominenter Holocaust-Überlebender, wie Margot Friedländer oder Leon Weintraub, nachdrücklich an unsere Menschlichkeit appellieren und nachhaltig mahnen, dass derartige Gräueltaten jederzeit wieder möglich sind, und damit dem Werk eine bedeutsame moralische Botschaft verleihen wollen, verliert diese Ermahnung an Wirkung. Sie verblasst in der überstilisierten und allzu vereinfachten Erzählweise, die sich auf eine groteske Lobhudelei von Goebbels konzentriert.
Fazit
Obwohl Joachim A. Lang mit seinem Film ein dringendes Warnsignal setzen möchte, verfehlt „Führer und Verführer“ dieses Ziel. Der überinszenierte und vereinfachte Ansatz verkommt beinahe zur Karikatur und wird der erschreckenden Realität des Nationalsozialismus nicht gerecht. Es bleibt ein Gefühl der Verklärung, das die historische Verantwortung verwässert, anstatt aufzuklären. Zu sehen im Kino Utopia.
C.J:F.Schiltz 2024