Noch bis zum 24. November 2024 findet die 60. Internationale Kunstausstellung in Venedig statt.
In einer Zeit, in der Migration und das “Fremde” zunehmend verteufelt werden, setzt die Biennale ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung. Unter dem Titel “Stranieri Ovunque – Foreigners everywhere“ werden die Werke queerer, indigener Künstler:innen sowie von Kunstschaffenden präsentiert, die selbst Immigrierende, Exilierte oder Geflüchtete sind.
Die Ausstellung verfolgt das Ziel, marginalisierte Perspektiven in den Mittelpunkt zu rücken und zu valorisieren. Dabei wird ein starkes, positives Leitbild für das “Fremde” gezeichnet, das sich gegen die aktuellen Diskurse der Ausgrenzung stellt. Die Werke beleuchten Themen wie Identität, Verlust und Heimat, und sie zeigen die Möglichkeiten der Kunst, als Brücke zwischen verschiedenen Kulturen zu fungieren.
Kurator ist der Brasilianer Adriano Pedrosa, der erste Verantwortliche aus der südlichen Hemisphäre, mit Ausnahme des 2015 leitenden Nigerianers Okwui Enwezor, der aber selbst in den USA lebt. Der Biennale-Titel hat Pedrosa von dem französischen Künstlerkollektiv Claire Fontaine übernommen und leistet mit der Wahl dieses Mottos einen bedeutenden kulturellen Beitrag zur Förderung eines wertschätzenden Miteinanders und setzt ein klares Zeichen gegen die Stigmatisierung von Migrant:innen und marginalisierten Gruppen.
Beitragsfoto: „Exil is a hard job (1977–2024)“, von Nil Yalter, (geboren 1938), die aus Kairo stammt und in Paris lebt, steht im Zentralpavillon des Giardinis. Das Werk, benannt nach den Worten des türkischen Dichters Nâzim Hikmet, zeigt Videos und Plakate, die das Leben und die Erfahrungen von Immigrant:innen und Exilierten dokumentieren. Dies ist das erste Mal, dass das Werk von Nil Yalter bei der Biennale Arte präsentiert wird. Zudem sie ist die Empfängerin des Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.
Foto 1: Am Eingang des Arsenales begleitet „Birdcage Man“ (2023) von Yinka Shonibare die Besuchenden in das Rauminnere der Ausstellung.
Foto 2 & 3: Schweizer Pavillon überrascht mit mutiger Selbstkritik auf der Biennale
Die diesjährige Biennale sorgt für einige unerwartete Höhepunkte – besonders im Schweizer Pavillon, der mit der gesellschaftskritischen Videoarbeit „The Miracle of Helvetia” und der Installation „Roma Talismano“ des Künstlers Guerreiro do Divino Amor für Aufsehen sorgt. Gerade die Schweiz, die international oft als konservativ und zurückhaltend wahrgenommen wird, wagt mit dieser Präsentation einen mutigen Schritt und überschreitet bewusst die eigenen Grenzen der nationalen Selbstwahrnehmung.
Die Videoinstallation setzt sich humorvoll, aber pointiert mit den Mythen und Werten der Schweiz auseinander und beleuchtet dabei Themen wie Nationalismus, westlichen Chauvinismus und die problematische Idealisierung der eigenen Geschichte. Mit scharfer Satire entlarvt Guerreiro do Divino Amor den Widerspruch zwischen dem offiziellen Bild eines neutralen, unberührten Landes und der Realität einer modernen, globalisierten Gesellschaft, die sich immer wieder mit ihrer eigenen Identität und ihren Werten konfrontiert sieht.
Der Pavillon zeigt, dass die Schweiz durchaus den Mut zur Selbstkritik hat und bereit ist, sich nicht nur als Nation, sondern auch ihre Rolle im globalen Kontext zu hinterfragen. Diese unerwartete Reflexion und der humorvolle Umgang mit sensiblen Themen verdienen Respekt – die Schweiz beweist damit, dass sie nicht nur auf Tradition setzt, sondern auch Raum für kritische und kreative Auseinandersetzung schafft.
C.J.F.Schiltz 2024